Information: Software-Patente unter der Lupe [3.2]
Artikel 4a: Ausschluss von der Patentierbarkeit [1]
(1) Ein Computerprogramm als solches kann keine patentierbare Erfindung darstellen.
(2) Bei computerimplementierten Erfindungen wird nicht schon deshalb von einem technischen Beitrag
ausgegangen, weil zu ihrer Ausführung ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare
Vorrichtung eingesetzt wird. Folglich sind Erfindungen, zu deren Ausführung ein Computerprogramm, sei es
als Quellcode, als Objektcode oder in anderer Form ausgedrückt, eingesetzt wird und durch die Geschäftsmethoden,
mathematische oder andere Methoden angewendet werden, nicht patentfähig, wenn sie über die normalen physikalischen
Interaktionen zwischen einem Programm und dem Computer, Computernetzwerk oder einer sonstigen programmierbaren
Vorrichtung, in der es abgespielt wird, keine technischen Wirkungen erzeugen.
a) Anmerkungen zu Absatz (1) der Richtlinie
Es gehört zu den ungelösten Rätseln des Patentrechts, was nun der Unterschied zwischen einem
Programm und einem Programm "als solches" sein soll.
Beschreibt man es mit anderen Worten, wäre es so als würde das Strafrecht nur "Stehlen als solches"
verbieten, nicht aber "Aneignung fremden Privateigentums mit rechtschaffener Wirkung".
[2]
Patentrechtler versuchen noch immer vergeblich, sich zu einigen, was ein "Programm für
Datenverarbeitungslagen als solches" sein soll. Die einen
[3]
verstehen darunter den Quelltext, die anderen
[4]
das unmittelbar von der Maschine ausführbare Programm, wieder andere
[5]
das gedankliche Konzept.
Warum kam es dazu? Nun, Artikel 52 EPÜ
[6] bzw. Artikel 1 DPatG
[7] führen beide in Absatz 2 eine Liste von
nichtpatentierbaren Gegenständen oder Tätigkeiten auf. Unter Punkt c) werden dort genannt:
"Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für
geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen".
Und in Art. 52 EPÜ, Absatz 3 steht weiterhin: "Absatz 2 steht der Patentfähigkeit
nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche
Schutz begehrt wird."
Es war somit eine Frage der Interpretation wie der Absatz 3 von Art. 52 EPÜ auszulegen
ist.
Beispiel
Betonen Sie bitte die folgenden Sätze genau an den fett geschriebenen Stellen
und beobachten Sie, wie sich dadurch die Bedeutung des Satzes verändert:
a) "Absatz 2 steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für die
genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird."
b) "Absatz 2 steht der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen, als für die
genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird."
Es ist leicht ersichtlich, dass Variante a) suggeriert, dass es einen
Unterschied zwischen den Gegenständen oder Tätigkeiten und den Gegenständen oder
Tätigkeiten als solche geben soll. Dies ist aber unverständlich, da sich Absatz 3
auf alle Objekte der Ausschlussliste gleichermaßen bezieht. Unter Punkt a) werden
z.B. Entdeckungen genannt. Gibt es nun Entdeckungen und Entdeckungen als solche?
Variante b) ist hier wohl die konsistentere Interpretation. Es geht hauptsächlich
um den Schutz, der für diese Objekte eben nicht gewährt werden soll. Es sollen keine
Objekte mit ähnlichen Eigenschaften ausgeschlossen werden, sondern nur genau jene,
wie sie "als solche" in der Ausschlussliste genannt sind.
Die Auslegung von Artikel 52 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ)
[6] hinsichtlich der Frage, inwieweit
Software patentierbar ist, hat Dr. Karl Friedrich Lenz
[8], Professor für Deutsches Recht
und Europarecht an der Universität Aoyama Gakuin in Tokio, untersucht:
Mit den allgemein anerkannten Methoden juristischer Auslegung, gelangt er zu dem
Schluss, dass die Technischen Beschwerdekammern des EPA seit einiger Zeit regelmäßig
Patente auf Programme für Datenverarbeitungsprogrammen als solche erteilen und eine
beunruhigende Bereitschaft zeigen, die eigenen Wertungen an die Stelle der Wertungen
des Gesetzgebers zu setzen. [9]
Auch der Düsseldorfer Patentanwalt Dr. König zeigt allerlei Ungereimtheiten in der
Softwarepatent-Rechtsprechung des BGH
[10] und des EPA
[11] auf:
Dr. König kritisiert "Zirkelschlüsse" und argumentiert, das EPA habe Artikel
52 EPÜ "Gewalt angetan".
Durch eine "grammatische Auslegung des Begriffs Datenverarbeitungsprogramme als
solche" gelangt er zu der Erkenntnis, dass damit nur alle Datenverarbeitungsprogramme
ohne Ausnahme gemeint sein können, allerdings nur insoweit sie alleine Gegenstand des
Patentbegehrens seien.
Seit der Umsetzung des EPÜ in die PatG-Novelle von 1978 gibt es keine Grundlage mehr
für eine Unterscheidung zwischen technischen und untechnischen Programmen. Beim Verständnis
des Begriffes "DV-Programm" habe sich die Rechtsprechung nach allgemeinen
außerjuristischen Definitionen zu richten, wie sie etwa von DIN-Fachleuten geleistet wurden.
Danach ist ein Programm die Gesamtheit aus Sprachdefinitionen und Text und nicht etwa nur
der urheberrechtlich schützbare Text.
Das EPÜ/PatG erlaube es aber, "Kombinationserfindungen" zu patentieren, die
als ganzes auf Technizität, Neuheit, Nichtnaheliegen und gewerbliche Anwendbarkeit zu
prüfen seien. Gerichte hätten aber schon immer Kreativität entfaltet, wenn es darum ging,
"sich über Patentierbarkeitsausschlüsse hinwegzuhelfen".
Datenverarbeitungsprogrammen (als solchen) könne, auf dem Wege über ein
Kombinationspatent, mittelbar der volle Schutz eines Sachpatents zukommen. Auch
Datenverarbeitungsprogramme seien damit ebenso wie etwa naturwissenschaftliche Entdeckungen
(als solche) dem Verwendungsschutz zugänglich."
[12]
Hinweis
DIN 44300 Teil 4 Nr. 4.1.9 definiert Software (Def3) als:
"...eine nach den Regeln der verwendeten Sprache festgelegte syntaktische Einheit aus
Anweisungen und Vereinbarungen, die die zur Lösung einer Aufgabe notwendigen Elemente umfasst."
[13]
Und weiterhin:
Die Anwendung dieser DIN besitzt den unschätzbaren Vorteil, dass sie in einem
geregelten Verfahren (DIN 820) mit einer 5/6-Mehrheit der sachkundigen Mitglieder der
zuständigen Fachkommission des Deutschen Normenausschusses (DNA) zu Stande gekommen ist.
Diese Norm nicht zur Konkretisierung des Begriffs "Datenverarbeitungsprogramm" zu
benutzen, bedürfte einer überzeugenden Begründung; denn sie gibt schließlich die allgemein
anerkannte Auffassung der Fachwelt wieder und enthält damit eine sachverständige Aussage
über den Begriff "Datenverarbeitungsprogramm".
Solche Normen werden daher hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirkung häufig auch
als antizipierte Sachverständigengutachten bezeichnet; sie bieten ein hohes Maß an
rechtsstaatlicher Bestimmtheit und sind daher auch in großem Umfang Gegenstand
gesetzlicher Verweisungen." [12]
b) Anmerkungen zu Absatz (2) der Richtlinie
Absatz (2) ist auf den ersten Blick schwierig zu verstehen. Dies liegt
hauptsächlich an seiner vertrackten Formulierung. Um ihn lesbarer zu machen, kann man
für das Verständnis unwesentliche Teile weg lassen:
(2) Bei computerimplementierten Erfindungen wird nicht schon deshalb von einem
technischen Beitrag ausgegangen, weil zu ihrer Ausführung ein Computer eingesetzt wird.
Folglich sind Erfindungen, zu deren Ausführung ein Computerprogramm eingesetzt wird und
durch die z.B. Geschäftsmethoden angewendet werden, nicht patentfähig, wenn sie über
die normalen physikalischen Interaktionen zwischen einem Programm und dem Computer
keine technischen Wirkungen erzeugen.
Auch sind Negationen wesentlich schwerer zu verstehen als positiv formulierte
Sätze. Somit dasselbe hier noch einmal in positiver Form:
(2) Bei computerimplementierten Erfindungen muss ein technischer Beitrag durch
mehr begründet sein, als durch die Ausführung in einem Computer. Folglich sind solche
Erfindungen nur patentfähig, wenn über die normalen physikalischen Interaktionen hinaus,
die zwischen einem Programm (in dem z.B. Geschäftsmethoden beschrieben werden) und dem
Computer erfolgen, noch weitere technische Wirkungen erzeugt werden.
Soweit hört es sich ganz vernünftig an.
Doch im Gegensatz zu dem, was man zuerst vermutet, wird nicht verhindert, dass
Geschäftsmethoden, mathematische oder andere Methoden patentiert werden können.
Eine Voraussetzung, die nun maßgeblich für die Frage ist, ob Software patentiert
werden kann, ist die Technizität. Die Technizität selber ist aber im Patentgesetz
gar nicht definiert. Dies versuchen die Gerichte durch ihre jeweilige Rechtsprechung
nachzuliefern.
Aufgrund der Tatsache, dass dem BGH und dem EPA schon allein "technische
Überlegungen" im Vorfeld der Programmierung ausreichen, um einen technischen
Beitrag zu begründen, kann man von Artikel 4a der Richtlinie keine wirkliche
Begrenzung erhoffen.
So ging die Beschwerdekammer des EPA in ihrer Entscheidung
"Universelles Verwaltungssystem/SOHEI" vom 31.05.1994 davon aus, dass der
Ausschluss des Artikel 52 EPÜ nicht für Erfindungen gelte, zu deren Ausführung
technische Überlegungen angestellt werden müssen.
[14]
Auch der BGH hatte in einer Reihe von Entscheidungen ("ABS", "Tauchcomputer",
"Seitenpuffer", "Chinesische Schriftzeichen") versucht, die Technizität
im Zusammenhang mit Computerprogrammen zu bestimmen. In den letzten Entscheidungen
("Logikverifikation", "Sprachanalyseeinrichtung") führte der BGH aus, dass
ein Computerprogramm, das auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnisse
voranzubringen sucht, technisch sei.
[15]
Ich möchte noch weitere Beispiele bringen, um die negativen Auswirkungen von
Patenten auf "computerimplementierte Erfindungen" zu verdeutlichen:
Beispiel 1
Angenommen es soll mit einer "computerimplementierte Erfindung" ein Verfahren
patentiert werden, das beschreibt, wie man Briefe mit dem richtigen Porto frankiert.
Man nehme eine Person, eine elektronische Briefwaage, einen Computer, ein Programm
und Briefmarken.
Die Briefwaage wird an den Computer angeschlossen, so dass dieser mit einem
Programm das Gewicht eines aufliegenden Briefes ermitteln kann.
Die Person nimmt einen Brief aus dem Eingangskorb und legt ihn auf die Waage.
Das Programm empfängt über eine serielle Schnittstelle die Daten von der Waage.
Das Programm berechnet dann anhand weiterer Daten das Porto für den Brief und gibt
dies auf dem Bildschirm aus.
Die Person klebt die erforderliche Menge Briefmarken auf den Brief und legt ihn
in den Ausgangskorb.
Dadurch, dass ein Computer mit einem Programm vorhanden ist, wodurch ein wichtiges
Merkmal der Erfindung realisiert wird, kann man die Erfindung als
"computerimplementierte Erfindung" bezeichnen. Siehe Artikel 2 der Richtlinie.
Nach Artikel 4a der Richtlinie ist ein technischer Beitrag erforderlich, der über
die reine Interaktion des Programmes mit dem Computer hinausgeht. Dieser Beitrag ist
die "Automatische Erfassung des Briefgewichtes, durch Übermittlung der Daten über eine
serielle Schnittstelle an den Computer". Die Bestimmung des Gewichts ist ein
physikalischer Messvorgang, also technisch.
Das Frankieren des Briefes und die Handhabung durch eine Person ist nicht technisch.
Dennoch sind nun die wichtigsten Vorbedingungen für eine Patentierung erfüllt.
Natürlich ist dies ein sehr einfaches Beispiel, aber kompliziertere Varianten
lassen sich ähnlich konstruieren, so dass Neuheit und Erfindungshöhe sicher auch zu
erfüllen sind.
Bekommt nun eine Firma hierauf ein Patent zugesprochen, kann sie sich doppelt
freuen. Einerseits wegen dem Patent und andererseits deswegen, weil sie gar keine
aufwendige Maschine bauen musste. Alle Teile werden von anderen Herstellern produziert.
Nur das Programm könnte evtl. noch selbst geschrieben werden.
Was diese Firma freut, ist aber von Nachteil für alle anderen. Mitbewerber dürfen
keine bessere Maschine bauen, die dieses Verfahren in einem Arbeitsgang ausführt, da
ja durch die "computerimplementierte Erfindung" das Endergebnis patentiert ist.
Natürlich könnte der Patentinhaber seine Lösung verbessern, aber warum sollte er?
Fazit
Patente auf "computerimplementierte Erfindungen" verhindern die Entwicklung
effektiver Realisierungen und behindern damit wirklich innovative Firmen. Ausserdem
müssen die Anwender leider 20 Jahre lang das benutzen, was der Patentinhaber mehr
schlecht als recht auf den Markt bringt.
Beispiel 2
Es lässt sich auch umgekehrt argumentieren. Was in Beispiel 1 gezeigt wurde, ist,
dass keine aufwendige Maschine gebaut werden musste, da viele Handlungen von einer
Person erfüllt werden konnten.
Angenommen man würde zuerst eine nach obigem Verfahren arbeitende Frankiermaschine
bauen und patentieren, wobei man die Tätigkeiten der Person durch eine Automatik ersetzt.
Dann wären aber manuelle Realisierungen in der in Beispiel 1 gezeigten Form eine
Patentverletzung, da solche Realisierungen ja per Definition als
"computerimplementierte Erfindungen" gelten.
Natürlich könnte man alles manuell ausführen, aber das wäre wenig produktiv.
Sobald man aber einen Computer im internen Arbeitsablauf einsetzt, muss man damit
rechnen das Patent auf eine "computerimplementierte Erfindung" zu verletzen.
Das ist sehr beunruhigend.
Fazit
Nicht nur Programmierer, sondern auch alle anderen Firmenmitarbeiter, die mit einem
Computer, Computernetz oder sonstigen programmierten Vorrichtung arbeiten, müssen zuvor
genau prüfen in welchem Kontext sie handeln, wenn sie einen Gedanken in die Tat
umsetzen wollen, weil das Risiko besteht, den Patentanspruch einer
"computerimplementierten Erfindung" zu verletzen!
[1] http://register.consilium.eu.int/pdf/de/04/st09/st09713.de04.pdf
[2] http://swpat.ffii.org/analyse/epue52/moses/index.de.html
[3] z.B. Dr. Wolfgang Tauchert, Leiter der Abteilung Datenverarbeitung des DPMA
[4] z.B. die Patentanwälte Axel Horns und Axel Pfeiffer
[5] z.B. Dr. Klaus Melullis, Vorsitzender Richter am Patentsenat des BGH
[6] http://www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ar52.html
[7] http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/patg/
[8] http://www.k.lenz.name/d/
[9] http://swpat.ffii.org/analysis/epc52/exeg/index.de.html
[10] http://www.bundesgerichtshof.de
[11] http://www.european-patent-office.org
[12] http://swpat.ffii.org/papiere/grur-koenig01/index.de.html, Quelle: GRUR 2001 heft:7 p:577-584
[13] http://www.din.de
[14] http://www.softwarepatentschutz.de/index.php?id=rechtsprechung&subcat=SOHEI
[15] http://www.2kpatent.de/de/faq7.htm
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